ZEIT.DE » MUSIK » jazz

jazz

Bill im Himmel mit Diamanten

Zum ersten Höhepunkt des Berliner Jazzfestes 2005 gerät ein Liederabend ohne Worte. Das Frisell-Trio ehrt… na, wen?


Seiten: 1 | 2 »
Diesen Artikel auf einer Seite lesen

Es war eine Überraschung für alle 400 im ausverkauften Quasimodo, dem Kellerclub am Bahnhof Zoo. Vom Auftritt des Bill-Frisell-Trios beim Jazzfest Berlin Donnerstagabend um halb elf hatten sie irgend etwas zwischen Country, Klezmer, Jazzrock, Neuer Musik und freier Improvisation erwartet, wie es auch im Programmheft angekündigt stand. Als Spektrum wäre das ja auch schon verwegen genug gewesen. Doch so kam es nicht – oder nicht nur. Selbst der künstlerische Leiter des Festivals, Peter Schulze, will zuvor nichts gewußt haben von dem, was dann zwei Stunden lang geschah.

Das Trio kam mit Bill Frisell, elektrischer Gitarre, Greg Leisz, Lapsteel-Gitarre und der Violinistin Jenny Scheinman. Notenblätter lagen vor ihnen auf den Ständern, gespannte Aufmerksamkeit im Publikum: Die Besetzung mit drei tendenziell eher jauligen Instrumenten ohne Rhythmusgruppe verlieh der Vorfreude ja eine etwas bange Note.

Frisell benutzte seine elektronischen Geräte, um ein paar gezupfte Töne einzuspeisen und vollautomatisch wiederholen zu lassen; alsbald begann eine wirre, schräge Improvisation der Drei, die nirgendwo hinzuführen schien. Bevor die Verblüffung des Auditoriums in Verärgerung umzuschlagen drohte, löste sich das Gewirr der Linien auf faszinierende Weise in herzallerliebsten Melodien auf. War das nicht ein Stück von Madonna?

War es nicht, und von wem es war, wurde von von Stück zu Stück mehr zur Gewissheit: Das war von John Lennon!

Song um Song zersägten und zerlegten die Drei das Oeuvre des besten aller Beatles – und setzten es hinterher neu zusammen. Lucy In The Sky With Diamonds, Come Together, Across The Universe, Nowhere Man. Rechts auf der Bühne saß Frisell wie ein mondgesichtiger Harald Schmidt, dessen in sich gekehrtes Lächeln im Laufe des Abends immer kraftvoller wurde, links die zarte Geigerin, ihm gespannt folgend, weil die Notenblätter ganz offenbar nur als Anhaltspunkt für die Harmonien und Refrains dienten und dieses dadaistisch-dekonstruktionistische Beatles-Revival mehr oder weniger aus dem Moment heraus entstand. In der Mitte zwischen den beiden Virtuosen der zurückhaltende Bluegrass-Gitarrist Leisz, unbewegten Gesichtes, hohlwangig, ernst, wie der junge Müntefering…

Lennon rauf und Lennon runter, virtuos, warm, augenzwinkernd – die Leute waren hingerissen.

Kommentar verfassen »

Seiten: 1 | 2 »
Diesen Artikel auf einer Seite lesen

(c) ZEIT online 4.11.2005






1.Wort markieren
2.Button anklicken
3.Erklaerung erscheint!

 
ZEIT.DE » MUSIK » jazz
DEUTSCHLAND | INTERNATIONAL | WIRTSCHAFT | FEUILLETON | LITERATUR | LEBEN | REISEN |
WISSEN | GESUNDHEIT | MENSCH & GESCHICHTE | BILDUNG & BERUF |
WEBLOGS | ZUENDER | SPIELEN | FOTOGALERIE | DEBATTE
PREMIUM | MARKTPLATZ | AUS DER ZEIT | ARCHIV | SUCHE
ZEIT FüR DIE SCHULE | IMPRESSUM | ZEIT-VERLAG | MEDIADATEN | PRESSE | HILFE | NEWSFEED
ZUM SEITENANFANG